Auch zum diesjährigen Weltmädchentag wird Plan International im Rahmen ihrer Kampagne „Because I am a girl“ wieder Gebäude in Deutschland pinkfarben anstrahlen, um auf die Situationen von Mädchen weltweit aufmerksam zu machen. Warum diese Aktionen weiterhin kontraproduktiv für die Mädchenarbeit sind:
Bereits im vergangenen Jahr habe ich in einem Blog unseres Projekts meinTestgelände die Aktion grundsätzlich und eine spezielle Aktion in Magdeburg (häkeln in pink für Mädchen) kritisiert (http://blog.meintestgelaende.de/blog/gut-gemeint) , was zu einem gemeinsamen Gespräch mit Plan International, Pinkstinks, meinTestgelände und der BAG Mädchenpolitik geführt hat. In diesem Gespräch haben wir kritisiert, dass es ausgerechnet pink sein muss, das als (mädchenzuschreibende) Farbe Öffentlichkeit herstellt. Als eine Reaktion auf unsere Kritik hat Plan International auf ihrer Kampagnenseite von „Because I am a girl“ erläutert, warum sie auch weiterhin pink als Kampagnenfarbe verwenden:
„Warum Pink?
Wir sind uns darüber bewusst, dass die Farbe Pink beziehungsweise Magenta stark mit Mädchen assoziiert wird. Deswegen wurde sie als Hauptfarbe der Kampagne ausgewählt. Gleichzeitig wollen wir mit den Inhalten der Kampagne der Farbe eine neue Bedeutung geben: Das kräftige Pink von Because I am a Girl hat eine starke Signalkraft und vermittelt Power, Lebensfreude und Mut zur Offensive. Wir wollen Mädchen darin stärken, gemeinsam mit anderen die Initiative zu ergreifen und sich für die Wahrnehmung ihrer Rechte einzusetzen.
Pink ist nicht gleich „Mädchen-Klischee“
Mit diesen Inhalten tritt Plan den verbreiteten Rollenklischees vom „schwächeren Geschlecht“ deutlich entgegen und lehnt eine Reduzierung von Mädchen und Frauen ebenso wie von Jungen und Männern auf stereotype Rollenzuschreibungen ab. Deshalb setzen wir uns gegen eine klischeebehaftete Verwendung der Farbe Pink ein: Alle Menschen sollten ohne Vorurteile pink tragen können, unabhängig von Geschlechtsidentität, Alter und Wohnort.“ (http://www.biaag.de/index.php?id=6391&tx_news_pi1[news]=198&tx_news_pi1[controller]=News&tx_news_pi1[action]=detail&
cHash=d9918613a4e44b9951faa2177696df94 – Aufruf am 30.9.2015)
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich das konstruktive Gespräch auf Einladung von Plan gut und einen Schritt in die richtige Richtung finde. Wir sollten die Gespräche weiterführen.
Im Fall der Gebäudebestrahlungen geht es mir nicht um die Frage ob pink oder rosa oder blau – jedenfalls nicht als zentrale Kritik. Es geht vielmehr um Ungleichzeitigkeiten in den Ausrichtungen und den Zielsetzungen von Plan International und der Mädchenarbeit in Deutschland, die zu Problemen führen:
1. Die Aktionen von Plan International in Deutschland meinen nicht die Situation von Mädchen in Deutschland
Plan International möchte mit ihren Gebäudeilluminationen in Deutschland (und anderen Ländern) auf ihre Kampagne „Because I am a girl“ aufmerksam machen, die aber wiederum nicht in Deutschland wirkt:
„Durch die globale Kampagne Because I am a Girl wollen wir auf die Situation von Mädchen, vor allem in Entwicklungsländern, aufmerksam machen.“ (http://www.biaag.de/informier-dich/internationaler-maedchentag/ – Aufruf am 30.9.2015)
Das ist wichtig und aller Ehren wert, es verwirrt nur, was den Weltmädchentag in Deutschland angeht. Warum? Weil Plan mit seinen Aktionen zwei Eindrücke erweckt, die so nicht stimmen: erstens, dass Plan und der Weltmädchentag auch in Deutschland eins sind und Mädchenarbeit sich dem anschließen kann/soll und zweitens, dass die Aktionen auf die Situation von Mädchen in Deutschland aufmerksam machen sollen – werden doch hier Gebäude angestrahlt und Veranstaltungen organisiert. Beides ist aber nicht richtig und das macht die Kooperation zwischen der Mädchenarbeit in Deutschland und den Aktionen von Plan schwierig.
Der Weltmädchentag wurde 2011 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Plan war an der Kampagne, die dazu führte, maßgeblich beteiligt, ist aber nicht „Erfinder“ des Weltmädchentags. Durch die starken und öffentlichkeitswirksamen Aktionen an diesem Tag wird ein anderer Eindruck erweckt, der vor Ort in der Mädchenarbeit oftmals zu dem Gefühl führt, frau müsse mit den „Erfinderinnen“ des Weltmädchentags kooperieren. Hinzu kommt: die Mädchenarbeit nutzt den Weltmädchentag, um auf die Situation von Mädchen und jungen Frauen hier in Deutschland aufmerksam zu machen. Damit haben Plan und die Mädchenarbeit am Weltmädchentag unterschiedliche Zielgruppen, was wiederum nicht deutlich wird. Plan möchte Öffentlichkeit herstellen für die weltweite Kampagne mit Fokus auf Entwicklungsländer, die Mädchenarbeit möchte Öffentlichkeit herstellen für die Situation und Lebenslagen von Mädchen in Deutschland. Gemeinsame Aktionen von Plan und der Mädchenarbeit müssten also im Vorfeld zunächst einmal klären, wer hier für wen einsteht, wo gemeinsame Linien sein können, was das gemeinsame Ziel sein soll und wie deutlich gemacht werden kann, wer hier für was einsteht. Die einfache Gleichung: wir machen alle einen Weltmädchentag, haben die gleiche Zielgruppe und sollten deshalb gemeinsame Aktionen machen, ist so nicht richtig.
2. Das Farbkonzept der internationalen Kampagne ist für die Ziele von Mädchenarbeit und Genderpolitiken in Deutschland kontraproduktiv
Ich verstehe, dass ein Kampagnenkonzept nicht einfach über den Haufen geschmissen werden kann und insofern auch, dass Plan für die verbleibende Laufzeit aus dem Pink nicht aussteigen kann/mag. Aber dann bleibt auch das Problem zwischen Plan´s Kampagne und der Mädchenarbeit sowie gleichstellungspolitischen Anstrengungen in Bezug auf Gender: die Retraditionalisierungsanstrengungen von Antigenderist_innen, Antifeminist_innen, Männerrechtler_innen, „besorgten Bürgern“, Pegida etc. fordern einhellig, dass Geschlechterrollen wieder eindeutig herzustellen sind, da sie biologisch vorgegeben seien und die Menschen Klarheit in ihren Geschlechterrollen bräuchten.
Flankiert werden diese Bestrebungen durch eben jenes Farbkonzept von pink/rosa und blau, das auch im äußeren Anschein Eindeutigkeiten der Geschlechter herstellen soll. Insofern hat rosa aber auch pink eine kulturelle Bedeutung, die nicht einfach wegzudiskutieren ist dadurch, dass mensch sagt: wir meinen die Farbe aber anders. Mädchenarbeit in Deutschland setzt sich gerade gegen das sozial-kulturelle Labeling von Mädchen über die Farben pink und rosa ein, da sind die Aktionen von Plan kontraproduktiv. Schlimmstenfalls werden am 11. Oktober Mädchenarbeitsaktionen gegen die Einengung von Mädchenwelten u. a. auch durch den Farbcode stattfinden vor Rathäusern, die zur gleichen Zeit in eben jenen Farben bestrahlt werden und beide Veranstalterinnen proklamieren parallel, dass sie sich für die Freiheit und Rechte von Mädchen einsetzen.
Solange Plan am Weltmädchentag in Deutschland nicht auch die Situation von Mädchen hier in Deutschland meint, solange Plan nicht darauf eingeht, dass die eigenen Aktionen den Zielen der Mädchenarbeit hier entgegenwirken, solange wird es (leider) sehr schwierig bleiben, gemeinsam den Weltmädchentag zu nutzen, gemeinsame Aktionen zu machen, gemeinsame Ziele zu finden.
Die Aufgabe der Mädchenarbeit ist nicht, Plan den Steigbügel zu halten, sondern Politik zu machen für die Rechte von Mädchen – nicht nur, aber insbesondere hier in Deutschland. Denkbar sind selbstverständlich gemeinsame Aktionen, mit denen auf die Situation von Mädchen weltweit hingewiesen wird – auch das kann ein sinnvolles Ansinnen von Mädchenarbeit sein. Das gilt es dann gemeinsam zu planen und auf Augenhöhe durchzuführen. So aber, wie die Aktionen von Plan und der Mädchenarbeit bislang laufen, gibt es weder ein gemeinsames Verständnis, noch eine gemeinsame Zielgruppe oder gemeinsame Ziele.
Auch Pinkstinks hat sich zum Weltmädchentag zu den Plan-Aktionen in Deutschland positioniert: https://pinkstinks.de/pink-zum-weltmaedchentag-wir-haettens-lieber-bunt/
Ich würde mir wünschen, dass der Dialog mit Plan weiter geht und die Aktionen zukünftig miteinander abgestimmt werden. Und das gilt auch und besonders für pinke Strahlen, Socken und Mützen.
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