Seit dem internationalen Frauentag am 8. März 2014 wirbt plan international für eine Aktion in Magdeburg namens „Magdeburg – stark für Mädchen!“, bei der es ums Häkeln und Stricken in pink für benachteiligte Mädchen geht.
Kampagne von plan international in Magdeburg für Mädchen(rechte) geht knapp daneben
Aufgefordert wird dazu, bis zum Weltmädchentag am 11. Oktober mit pinkfarbener Wolle „trendige Socken, Mützen, Handschuhe, Stulpen oder Schals“ zu häkeln und zu stricken, die dann zugunsten benachteiligter Mädchen versteigert werden sollen. Einzige Bedingung: sie müssen „in ihrer Zusammenstellung als prägende Farbe PINK (nicht rosa!) aufweisen.“ (alle Zitate aus dem Flyer)
Grundsätzlich sind die Aktionen und Kampagnen von plan für die Rechte und den Schutz von Mädchen weltweit zu begrüßen! Sind es doch nur allzu wenige Organisationen, die sich (noch) um Mädchen und ihre teilweise benachteiligten, teilweise versklavten und rechtlosen Lebensumstände bemühen und Öffentlichkeit erzeugen.
Es gibt aber aus meiner Perspektive mehrere Punkte, die ich an der Magdeburger Kampagne absonderlich finde und weswegen ich mir wünschen würde, dass Hilfsorganisationen wie plan zusammenarbeiten würden mit den Organisationen in den jeweiligen Ländern, die sich bereits um Mädchen(rechte) kümmern, in Deutschland bspw. mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik e.V. oder mit Kampagnen wie one billion rising oder pinkstinks: Es würde helfen, erstens die Anstrengungen zu koordinieren und damit auch zu effektivieren und – was ich noch wichtiger finde – aus gut gemeint könnte auch gut gemacht werden durch die Einbeziehung der Fachexpertise, die es bereits gibt.
Stattdessen beschenkt uns plan in diesem Jahr nicht nur wieder mit (ausgerechnet) pinkfarben angestrahlten Gebäuden in Großstädten dieser Welt, nein, dieses Jahr können sich zumindest in Magdeburg davor auch noch Menschen mit pinkfarbener Wolle auf dem Kopf oder an Händen, Hälsen und Füßen davor platzieren und mit den Gebäuden farblich verschmelzen.
Worin also liegt meine Kritik? Da ist zunächst einmal mehr die Farbwahl. Warum ausgerechnet PINK notwendig ist als neue starke Mädchenfarbe, erschließt sich mir nicht: Pink sei dabei die Gegenfarbe zu rosa und bedeute „Power, Lebensfreude und Mut zur Offensive – genau die Eigenschaften, die benachteiligte Mädchen zusätzlich motivieren können, die Initiative zu ergreifen und für ihre Rechte zu kämpfen, z.B. für eine Geburtsurkunde, ausreichend Ernährung, Bildung sowie medizinische Versorgung oder den Schutz vor Misshandlung und Ausbeutung“ – schwierig finde ich, warum das mit einer Signalfarbe sein soll, die dem mädchentypischen rosa so nah ist, ganz abgesehen davon, dass das kräftige Pink ebenfalls zum Farbcode für Mädchenkleidung und –spielzeug gehört: kleine Mädchen in Fleecepullis mit pink-rosa Blütenmotiven bevölkern überall das Stadtbild.
Noch schwieriger aber finde ich die Individualisierung der beschriebenen Probleme, mit denen benachteiligte Mädchen es zu tun haben. Die Verantwortung dafür, dass Mädchen eine Geburtsurkunde haben, zu essen, gebildet werden etc. liegt bei den Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten, der Gesellschaft und der Regierung eines jeden Landes – und obliegt nicht den Mädchen selbst, die wir dann (feministischer weise) dafür aufpäppeln und stärken, dass sie Dinge in die Hand nehmen, die sie nicht zu verantworten und zu erledigen haben. Das halte ich für einen völlig fehl geleiteten politischen Weg, der allemal nur einer Individualisierungspolitik in die Hände spielt, die die gesellschaftliche Verantwortung rückführt und die individuelle hochfährt – und plan findet, dass das schon bei den Kindern anfangen soll – prächtig!
Übersetzt heißt die Kampagne für mich: stylisch häkeln und stricken für die Aufbürdung gesellschaftlicher Verantwortung auf die Rücken benachteiligter Mädchen.
Und ein letzter Punkt: Heteronormativität fehlt im Flyer natürlich auch nicht: „Die Mädchen-Projekte richten sich übrigens auch an männliche Projektteilnehmer, die unter der Zielstellung der Gleichberechtigung als Brüder, Väter oder spätere Ehemänner nicht ausgegrenzt werden dürfen.“ Aha! Die Perspektive von Mädchen ist natürlich die Ehe mit einem Mann – grrrrr!!!!!
Ich unterstelle plan überhaupt nicht, dass sie Heteronormativität, Individualisierung von gesellschaftlichen Schutz- und Förderaufgaben für ein selbstbestimmtes Aufwachsen von Mädchen oder die Vertiefung der Pinkifizierung von Mädchenwelten fördern wollen. Wahrscheinlich meinen sie es tatsächlich gut mit und für Mädchen. Aber: sie machen es nicht gut, und deshalb wäre es so hilfreich, wenn plan eben jene Organisationen mit einbeziehen würde in ihre Aktionsplanungen, die sich mit politischen Mädchenfragen tatsächlich auskennen. Bestenfalls zeigt sich in der ungeschickten Auswahl und Ausrichtung der Kampagne in Magdeburg, wie notwendig im Sinne gerade von Mädchen(rechten) Kooperationen wären, schlechtenfalls offenbart sich dann doch eine Haltung, die noch allzu viele zuschreibende und einseitige Perspektiven auf Mädchen enthält – und auch hier wären Kooperationen mit Mädchenorganisationen mehr als hilfreich. In Magdeburg arbeitet bspw. seit vielen Jahren erfolgreich das Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe. Allemal eine wertvolle Adresse, liebe plan-Kolleg_innen, damit gut gedachte Kampagnen nicht diesen Schrägschlag kriegen, der meines Erachtens eine politisch nicht gerechtfertigte Perspektive auf Mädchen schafft. Jedenfalls keine, die Mädchen in der Vielfalt und Freiheit ihres Seins sieht. Und wie soll dann Empowerment gelingen?
Ich jedenfalls wünsche mir am 11. Oktober in Magdeburg ein anderes Szenario für Mädchenrechte als pinke Mützen vor pinkten Gebäuden und die Aufforderung an Mädchen, für ihre Menschenrechte selbst zu sorgen. Das sind wir Mädchen als Feminist_innen und als Gesellschaft schuldig!
Links
http://magdeburg.plan-aktionsgruppen.de/aktionen-aktuell-2/
http://magdeburg.plan-aktionsgruppen.de/files/2014/03/Flyer1BlattEndfassung05.03.14.pdf
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